Was wirklich zählt

Die Redewendung "Was wirklich zählt" verstehen wir in der Regel als "Was wirklich wichtig ist". Der Tennissport hat sich allerdings zu einer Sportart entwickelt, in der die Statistik eine immer wichtigere Rolle einnimmt, und wenn wir manchen Artikeln glauben schenken dürfen, stehen wir sogar erst am Beginn einer rasanten Entwicklung im Big-Data-Zeitalter. Das heißt, im Tennissport wird das, was als wichtig betrachtet wird, immer mehr als etwas gesehen, was durch Zahlen ausgedrückt wird.

Im Zentrum dieser Entwicklung steht international der populäre Trainer und Chef-Analytiker der ATP-Tour, Craig O'Shannessy. In Deutschland folgen ihm die Chef-Trainer an verschiedenen Leistungsstützpunkten des Deutschen Tennisbundes. Unabhängig von Craig gibt es in Deutschland Jan de Witt, der sich eine Datenbank mit ausführlichen Spieleranalysen angelegt hat, um damit seine Schützlinge mit wichtigen Informationen zu Gegnern zu versorgen.

Eine wichtige Quelle für Spielerdaten sind die Firmen Tennis Analytics. und Hawk-Eye Inovations. Hier ein Einblick in die Hawk-Eye-Technologie:

 


Auf der WTA-Tour wurde 2020 versuchsweise das sogenannte offene coaching mit Hilfe von Echtzeit-Daten erlaubt, die durch die Firma SAP geliefert werden. Der Umgang mit Statistiken scheint bei den Profis eine Selbstverständlichkeit geworden zu sein.

Das wird nun zunächst auf die angehenden Leistungsspieler runtergebrochen, indem die Leistungszentren der deutschen Tennis-Landesverbände mit dem teuren Playsight-System ausgestattet wurden (hier ein zweiter Link), der DTB mit Playsight zudem eine Vereinbarung zur Live-Übertragung der Herren-Bundesliga unterzeichnet hat und die deutschen Tennisclubs nun mit dem kostenfreundlicheren Wingfield-System umworben werden. Das Wingfield-System bietet zudem die Möglichkeit, LK-Matches unabhängig von LK-Turnieren austragen zu können. Diese letzte Option ist ein wirklicher Durchbruch, weil dies eine zeitliche und örtliche Unabhängigkeit von den LK-Turnieren ermöglicht. Eine wirkliche Revolution in Sachen Tennisanalyse stellt die App von SwingVision dar - hier kann eine einzelne Person kostenfrei oder für eine Jahresgebühr sich selbst aufnehmen und analysieren. In 2023 soll die App auch für Android-Handys erhältlich sein, so der Testbericht im tennisMagazin.

Die wesentliche Frage in Bezug auf diese softwarebasierten Kamerasysteme lautet: Wird mir ein bedeutsamer Mehrwert für meine Spielerentwicklung geliefert?

Als Kenner der Materie sagte Jan de Witt zur Bedeutung von Video- und Datenanalyse im September 2019 ernüchternd: "Das ist sehr aufwendig und im Tennis hinken wir im Vergleich zu anderen Sportarten ein bisschen hinterher, was Informationsverarbeitung durch Trainer und Spieler angeht. Der zeitliche Aufwand ist jedoch größer als die tatsächliche Bedeutung. Wir sprechen hier immer nur von einstelligen Prozentbereichen, in denen wir uns überhaupt verbessern. Man darf nicht den Fehler machen, die ganze Sache über zu bewerten. Es ist immer noch das Wichtigste, dass ich meinen Spieler erreiche und die zwischenmenschliche Kommunikation stimmt." (die Quelle ist nicht mehr erreichbar)

Daneben gibt es das technologische Problem, dass die softwarebasierten Videosysteme noch keinen Algorithmus haben, der zwischen Forced Winner und Error unterscheiden kann. Ohne diese Unterscheidung kann nicht die Aggressive Margin berechnet werden, die ein wesentliches Beobachtungsmerkmal für die Spielerentwicklung ist. Die Firma Wingfield arbeitet an dem Problem, kann aber nicht sagen, wann sie eine Lösung entwickelt haben werden (Telefonat am 29.12.2021).

Möge nun der weltweit bekannte Tennisstatistiker Craig O'Shannessy zu Wort kommen.

Craig O'Shannessy

Er hielt im Rahmen eines Webinares an der Tennis-Base in Oberhaching am 03.04.2020 einen sehr interessanten Vortrag mit dem Titel What Matters Most To Winning. Der Vortrag dauerte 88 Minuten; ich habe ihn auf 48 Minuten runtergeschnitten. Da Craig ausdrücklich darauf hinweist, den Vortrag weiterzuverbreiten, biete ich euch hier die runtergedampfte Variante als pdf-Datei zum Download und als neuen Zusammenschnitt des Tones:

Aus wissenschaftlicher Sicht muss ergänzt werden, dass bereits weit vor Craig andere Personen auf die Bedeutung der ersten Schläge hingewiesen haben. Josef Brabenec wies bereits 1994 auf die Bedeutung der ersten sechs Schläge hin (Creating efficient training sessions & How do top world players play). Im Jahr 2007 wies Karl Weber auf einer Coaches Conference in Paraguay auf die Bedeutung der ersten vier Schläge hin; dies verschriftlichte er drei Jahre später gemeinsam mit fünf weiteren Autoren in einem wegweisenden Artikel (Schnellere Aufschläge, kürzere Ballwechsel und höherer Zeitdruck für Grundschläge in der Tennis-Weltspitze – Darstellung am Beispiel der Herren). Im selben Jahr veröffentlichte er - ebenfalls gemeinsam mit fünf weiteren Personen - Veränderungen in der Weltspitze der Damen erfordern Umdenken im Training.

Gemeinsam mit Philipp Born veröffentlichte Karl Weber 2012 den wichtigen Artikel Die besondere Bedeutung der erweiterten Spieleröffnung im Leistungstennis. Philipp Born promovierte dazu 2017 mit einer auf der Basis von Video-Analysen erstellten Arbeit (Systematische Analyse der erweiterten Spieleröffnung im Herrentennis der Weltspitze einschließlich Ableitung anwendungsorientierter Trainingsprinzipien).

Drei der genannten vier Artikel (1994, 2010, 2012) sowie die Dissertation (2017) sind öffentlich zugänglich, so dass Ihr euch selbst ein Bild machen könnt. Gemeinsam mit dem obigen Vortrags-Zusammenschnitt aus dem Jahr 2020 habt Ihr ein hinreichendes statistisches Detailwissen zu unserer Sportart.

Demnächst folgt an dieser Stelle ein kritischer Beitrag zum Thema Tennisstatistik, der folgendes Motto haben wird:

Vom Wiegen wird die Sau nicht fett

(Grafik: Quelle)


Dass die gesamte Tenniswelt einen Denkfehler akzeptiert und selbst Tennisspieler mit wissenschaftlichem Hintergrund, ihn nicht sehen und aufdecken, mag erschreckend sein, ist aber letztlich unwichtig, weil Tennis ein gesellschaftllich bedeutungsloses Nischeninteresse darstellt.

Tragischer ist die Grundstruktur, die erkennbar wird: Es hat sich einmal jemand etwas ausgedacht, was intuitiv einleuchtend klingt (das Konzept von forced und unforced error), es dringt wirkmächtig in die sportive Berichterstattung ein und wird von da an zu einem Standard, der bis heute gilt.

Ein Beispiel für die Verführbarkeit des Denkens, die im politischen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang allerdings eine große Bedeutung hat.

Es braucht einen Schutz gegen diese menschliche Verführbarkeit, die haltlos zwischen den folgenden Redewendungen schwebt: "Zahlen lügen nicht" und dem Fake-Zitat "Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe".

Der folgende Beitrag ist als Aufklärungsdokumentation für den Umgang mit Statistiken im Allgemeinen zu betrachten:


Der nun folgende letzte Beitrag ist eine stark verunsichernde Dokumentation über die Möglichkeiten, selbst im Wissenschaftsbetrieb betrügen zu können - ein Niemand schafft es, zu einem anerkannten Wissenschaftler und Institutsleiter zu werden:



Diese beiden Filmbeiträge berühren uns eher intellektuell indem sie an der einen und anderen Stelle unser Erstaunen oder Amüsement wecken. Doch der Umgang mit Statistiken wird bitterer Ernst, wenn es um das geht, was wirklich zählt - unser Leben und unsere Gesundheit.

Die Entscheidung des Novak Djokovic

Novak hat sich gegen eine Impfung entschieden. Es kostete ihn seine Spitzenposition im Tennis, weil er mehrere Turniere nicht mitspielen durfte, was nebenbei dazu führte, dass ihm vermutlich einige Millionen Euro Siegprämien und möglicherweise auch Werbeeinnahmen entgangen sind. Er war und ist klar in seiner Entscheidung gegen eine Impfung, was er auch im dritten Jahr nach Ausbruch der Pandemie bestätigt.

Wer die nun vorliegenden Zahlen zu Impfschädigungen zur Kenntnis nimmt, wird vermutlich Verständnis für Novak gewinnen.

"Gemäß des letzten Sicherheitsberichts wurden dem Paul-Ehrlich-Institut insgesamt rund 333.000 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen gemeldet; davon sind rund 50.800 Verdachtsfälle schwerwiegende Nebenwirkungen. Ein Anteil von rund 0,03 Prozent pro tausend Impfungen." (Quelle, siehe folgendes Video ab 19:45 Min.)

 


"Ein Anteil von rund 0,03 Prozent pro tausend Impfungen."
Ein Prozent von Tausend ist 10,
0,1 Prozent wäre 1,
0,03 Prozent heißt also, dass 3 von 10.000 geimpften Menschen schwerwiegende Nebenwirkungen davongetragen haben.

Wenn wir die Hamburger Impfzahlen zugrunde legen, dürfen wir annehmen, dass von den in Vereinen organisierten Tennisspieler*innen vermutlich 8 Personen und unter den Einwohnern Hamburgs vermutlich 420 Personen an schwerwiegenden Nebenwirkungen der Corona-Impfung leiden.

Unklar ist, wie hoch die Zahl tatsächlich ist; es spricht einiges dafür, dass sie höher ist, denn das Bild der geschädigten Patienten ist sehr vielgestaltig und es besteht ein bürokatischer Aufwand für Ärzte, das differenziert zu dokumentieren.

Die Internistin Dr. Beate Jäger sagt zur Beschwerdebehandlung von Impfgeschädigten und Long-Covid-Patienten: "Klinisch habe ich eher den Eindruck, dass die impfgeschädigten Fälle noch schwerer zu behandeln sind."

Der Film veranschaulicht auf bedrückende Weise, dass sich jeder glücklich schätzen darf, der nicht zu den leidenden Personen gehört. Statistik reduziert den Menschen auf eine Zahl. Für den Leidenden bekommt die Zahl eine lebensverändernde Bedeutung.

Was die Zahl für Dich bedeutet, erfährst Du ganz einfach, wenn Du eine Antwort auf die Frage suchst "Würde ich einen kleinen harmlosen Piks in meinen Arm zulassen, wenn ich weiß, dass bei drei von zehntausend geimpften Menschen schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten?"

In diesem Moment gewinnt Statistik eine emotionale Bedeutung.

Deine persönliche Risikotoleranz erfährst Du, wenn Du die gleiche Frage mit anderen Zahlen stellst, also drei von hunderttausend, drei von einer Million usw.

Bei welcher Zahl sagst Du "Na klar, mache ich"?

Novak Djokovic hatte und hat eine vollständige Klarheit über die Bedeutung seines gesunden Lebens und die damit verbundene Null-Toleranz gegenüber dem Risiko, das mit einer Corona-Impfung verbunden ist. Dürfen wir ihn dafür verurteilen?